, Berndorf, Jacques Eifel Träume 

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Hausaufgaben erledigen, vielleicht mit jemandem telefonieren
oder fernsehen, vielleicht Musik hören und davon träumen,
selbst ein Musiker zu sein.
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Die Bratkartoffeln mit den Eiern kamen. Ich ließ das Denken
sein und konzentrierte mich auf eine der vornehmsten Pflichten
der Herrscher dieses Planeten: die Nahrungsaufnahme.
Was hatten die Kinder eigentlich von den Gerüchten um Toni
Burscheid mitgekriegt?
Annegret hatte auf jeden Fall etwas mitbekommen. Allein
wegen der Schreierei ihrer Mutter an besagtem Abend. Und
dadurch, dass Toni Hausverbot hatte. Also wussten auch die
anderen Kinder mit Sicherheit Bescheid.
Ich musste doch an die Kinder heran und die Frage war, wie
ich das anstellen konnte, ohne sie zu beunruhigen oder gar
aufzuregen. Zudem galt es, die Eltern zu überwinden, die nie-
mals damit einverstanden sein würden, dass sich ein
rücksichtsloser Pressefritze ihren Kindern näherte.
Ich erwischte mich dabei, dass ich mit der Gabel leicht krei-
schend in der leeren Pfanne herumfuhrwerkte. Hatte es
eigentlich gut geschmeckt? Ich wusste es nicht, aber das Ge-
genteil wäre mir vielleicht eher bewusst geworden. Ich
bestellte einen weiteren Espresso. Dann bezahlte ich und mach-
te mich auf den Heimweg. Arbeit lag noch vor mir: Ich musste
den Verlauf meiner Recherchen bei Schmitz, Retterath und
Grotian zu Papier bringen. Sonst riskierte ich, einen scheinbar
unwichtigen Punkt zu vergessen.
In Hohenfels-Essingen standen rechts der Fahrbahn Pferde
auf der Koppel. Sie starrten neugierig zu mir herüber.
Zu Hause erwartete mich ein Zettel: Sind bei Emma. Wenn du
Lust hast, komm doch! Clarissa.
Ich hatte keine Lust, sondern hörte meine Bandmaschine ab.
Außer Anni war niemand aufgelaufen. »Du könntest eine alte
Frau ruhig mal besuchen«, sagte sie dröhnend vor Empörung.
Im Faxgerät fand sich der übliche Schmonzes. Heute bot mir
jemand künstliche Bäume an, sechzig, achtzig und hundert-
achtzig Zentimeter hoch. Und eine Schuhpoliturmaschine. Sie
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werden nirgendwo ein besseres Angebot bekommen, hieß es.
Schon vor drei Monaten hatte ich fluchend darum gebeten, man
möge mich mit dem Müll verschonen. Aber diese Leute kann-
ten keine Gnade. Sie hatten eine Adresse im englischen Sussex
angegeben und dort war grundsätzlich niemand erreichbar.
Schöne neue Welt.
Ich brauchte eine Stunde, um den Bericht zu verfassen. Da-
nach fühlte ich mich ausgelaugt und vollkommen erfolglos.
Was hatte ich schon? Ein Stück lokaler, kleinkarierter Politik,
in deren Gefolge es einen Selbstmord und einen Mord gegeben
hatte.
Nicht die geringste Klarheit im Fall der kleinen Annegret.
Vielleicht war tatsächlich das Schlimmste passiert: Ein Mörder
hatte im Vorbeigehen gemordet, war vierundzwanzig Stunden
nach der Tat wieder spurlos im hochmobilen Getriebe dieser
Gesellschaft verschwunden, als habe es ihn nie gegeben. Ein
Ding für Kommissar Zufall.
Was war mit diesem Nachbarn, dem alten Mann, Pitter Gö-
den, der angeblich so ein ausführliches und merkwürdiges
Sexleben führte? Machte es Sinn, ihn zu besuchen? Reine Me-
lancholie ließ mich zu dem Schluss kommen, dass er einen
Besuch wert war.
Ich ging schlafen, las nicht mehr, versackte in dem Bewusst-
sein, an den Kern der Geschichte nicht herangekommen zu
sein.
Um sechs Uhr wurde ich wach, weil irgendetwas nicht
stimmte. Von draußen von der Straße waren erregte Männer-
stimmen zu hören.
Jemand sagte: »Wieso fährst du schusseliger Blötschkopf mit
einem Langholzwagen durch diese Gemeinde? Hast du nicht
mehr alle Tassen im Schrank?«
Jemand anderer antwortete gedämpft, was, konnte ich nicht
verstehen. Das Ganze wurde untermalt von einem gewaltigen
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Dieselmotor, der nagelte, als kriegte er es bezahlt.
Also rein in den Bademantel und runter in den frühen Tag.
Genau in der Straßenkurve vor meinem Haus stand ein Wa-
gen, der Stämme von rund fünfundzwanzig Metern Länge
geladen hatte. Der Fahrer hatte wohl geglaubt, heil durch das
Dorf kommen zu können, was angesichts seiner Ladung ein
Unding war. Die Spitzen der Stämme hatten die erste Steinrei-
he auf meiner Gartenmauer glatt wegrasiert und der Fahrer
stand nun belämmert in der Frühsonne und ließ sich von mei-
nem Nachbarn Rudi Latten beschimpfen. Nach meiner
Einschätzung konnte der Mann mit seinem Truck weder vor
noch zurück.
Rudi Latten schimpfte weiter. Mein anderer Nachbar, Theo
Jaax, kam hinzu, der gleichermaßen argumentierte. Die wesent-
liche Frage war, wie der verlegen herumstehende Fahrer die
Sache in Ordnung bringen konnte, ohne die benachbarten Ge-
bäude zum Einstürzen und mögliche Frühaufsteher auf ihren
Lokussen in akute Lebensgefahr zu bringen. Auf jeden Fall
würden wir drei stehen bleiben und schadenfroh zugucken.
»Langsam, langsam«, schaltete ich mich ein. »Regt euch
nicht auf. Er steckt in der Scheiße und muss sehen, wie er da
wieder rauskommt.«
»Hah!«, machte Rudi Latten. »Wie soll das denn gehen?«
Dreißig Minuten später hatte der Fahrer des Trucks es zu
Wege gebracht, durch zentimetergenaues Fahren wenigstens
die erste scharfe Kurve zu nehmen. Es lagen zwar noch drei bis
vier vor ihm, aber das ging uns drei nichts mehr an, bedrohte
unsere Immobilien nicht mehr. Wir trennten uns in dem Be-
wusstsein, die erste Gefährdung des Tages erfolgreich
überstanden zu haben. Ich sammelte meine Mauersteine ein
und nahm mir vor, sie bei nächster Gelegenheit mit Schnellbe-
ton wieder auf die Mauerkrone zu setzen. Dorfleben ist etwas
wunderbar Aufregendes.
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Ich bereitete mir einen Kaffee und starrte fasziniert auf den
Fernsehbildschirm. Ein Blondschopf nicht näher bestimmbaren
Alters behauptete, er sei ab sofort der neue Teamchef der deut-
schen Fußballnationalelf. Ich erfuhr auch den Namen des
Menschen: Klinsi, sagte der Reporter zärtlich. Der so Genannte
bleckte eine Reihe perlweißer Zähne und machte auf Schwä-
bisch alles in allem einen so entsetzlich harmlosen Eindruck,
dass er auch ein Vertreter für Plüschbären hätte sein können.
Ich war zufrieden, denn so lange dieses Volk keine anderen
Ereignisse aufregend fand, konnte es ihm eigentlich nicht
schlecht gehen.
Irgendwann stand Clarissa hinter mir und sagte: »Guten
Morgen. Warst du inzwischen bei Tante Anni?«
»Nein, meine Liebe. Keine Zeit. Ich muss Geld verdienen.
Und du? Was treibst du?«
»Weißt du, Väterchen, mir gefällt s immer besser hier. Viel-
leicht könnte ich hier doch leben.«
»Aber in der Eifel gibt es keine Arbeitsplätze und keine Uni.«
»Das macht nix. Ich könnte nach Koblenz oder Trier gehen.
So, und jetzt muss ich duschen und dann rein in neue Klamot-
ten. Sag mal, kann ich deine Waschmaschine anwerfen? Und
hast du noch einen Kaffee? Übrigens, Vera finde ich unheim-
lich nett. Emma und Rodenstock sowieso. Vergisst du Anni
nicht?«
»Ich vergesse sie nicht«, versprach ich.
»Dann sehe ich dich irgendwann später.«
»Ja, das könnte sein. Ich wohne hier.«
Sie sah mich von der Seite an und kicherte: »Damit hätte ich
wirklich nie gerechnet.« Endlich entschwand sie in den Tiefen
des Hauses.
Ich zog mir etwas an, das Badezimmer zur morgendlichen
Reinigung stand mir ja nicht zur Verfügung. Also setzte ich
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mich erst mal in die Sonne an den Teich und beobachtete eine
graubraune, beinahe widerlich aussehende Raublarve, die einen
Stängel der Schlangenwurz erobert hatte, um an ihm hochzu-
kriechen und sich dann  o Wunder  in eine große, grünblau [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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